Die
Familien Rintelen und von Renteln
in Mittelalter und früher Neuzeit
Dank
der vorhandenen Lehnsakten der Fürstabtei Herford und anderer
einschlägiger Urkunden war es für Wilhelm v. Rintelen möglich,
durch eingehendes Studium die Ahnenfolge während des Mittelalters
festzustellen und damit die Familiengliederung zu begründen. Die
Kirchenbücher lieferten weitere Unterlagen zur Genealogie des
Geschlechtes nach dem 30jährigen Krieg. 1934 stellte er erstmals
einen Stammbaum der Rintelen zusammen. Sein Nachfolger im Vorsitz des
Familienverbandes, Dr. Ludwig Rintelen, ergänzte die Stammtafel bis
zum Jahre 1954 und gab sie unter dem Titel „Das Geschlecht der
Rintelen in 7 Jahrhunderten“ heraus. Mit der Überarbeitung und
Fortführung dieser Stammtafel machten sich Prof. Dr. Paul Rintelen
(Vorsitzender 1971 – 1979) und sein Sohn, Dr. Jost Rintelen, um die
Erforschung der Familiengeschichte sehr verdient. Unter dem Titel
„Das Geschlecht der Rintelen“ erschien 1977 ihr Werk. Jost hat
sich kontinuierlich bis auf den heutigen Tag dieser Forschungsarbeit
gewidmet. 2001 brachte er die aktualisierte zweite Auflage des
Geschlechterbuchs heraus. Seit Jahrzehnten können die Mitglieder des
Familienverbands Josts Ausarbeitungen über spezielle Fragen unserer
Ahnenforschung im Nachrichtenblatt des Familienverbands studieren.
Im
13. und 14. Jahrhundert kamen in den deutschen Städten die
Familiennamen auf. In der frühen Zeit waren sie vielfach
Herkunftsnamen, die auf die Landschaft oder Ortschaft zurückgingen,
aus der die jeweiligen Zuwanderer stammten. Der Vorname des
Betreffenden erhielt als erblichen Beinamen die Herkunftsbezeichnung
mit dem Zusatz "von", niederdeutsch "van", in
lateinischen Urkunden "de". So darf mit Sicherheit
angenommen werden, dass der Name "von Rintelen" auf die
Stadt Rinteln an der Weser zurückgeht, zumal da der Ortsname Rinteln
in Deutschland nur einmal vorkommt. Im übrigen wird in den Urkunden
des 13. Jahrhunderts wenn auch nicht immer der Name der
Stadt dreisilbig geschrieben, in einer Form also, in der wir noch
heute unseren Namen führen.
Die
Ortschaft Rinteln wurde um 1230 auf dem linken Weserufer "auf
der grünen Wiese" errichtet und erhielt 1239 das Stadtrecht.
Bereits vorher bestand auf dem rechten Weserufer, hundert Meter
flussabwärts, ein altes Dorf gleichen Namens, das bereits 1153
urkundlich erwähnt wird und um 1400 wüst war. Wesentliche Teile des
Dorfes, so das Kloster, wurden kurz nach der Stadtgründung auf das
linke Weserufer verlagert.
Um
die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert erscheinen Neubürger unter dem
Namen von Rintelen in Herford, Lemgo, Hannover und Minden. Ob sie
gleichen Stammes sind, lässt sich aus den Urkunden nicht ermitteln.
Sie kamen ursprünglich aber wohl alle aus der damals keine tausend
Einwohner zählenden Stadt Rinteln. Da sie alle in den Städten, in
denen sie zugezogen waren, dem Patriziat angehörten und alsbald im
Rat vertreten waren, ist zu vermuten, dass sie auch in Rinteln
bereits einer "oberen Schicht" angehörten.
Bis
auf die Hannoverschen von Rintelen, deren Nachkommen über Lübeck
mit der Hanse ins Baltikum wanderten und heute unter dem Namen von
Renteln in der Welt zerstreut leben, sind Nachkommen der aus anderen
Städten stammenden von Rintelen nicht mehr anzutreffen. Entweder
sind die Stämme in der männlichen Linie ausgestorben oder sie haben
ihren Namen gewechselt.
Was
unsere Vorfahren bewogen hat, nach Herford zu ziehen, wissen wir
nicht. Waren es bessere Entwicklungsmöglichkeiten für eine
Kaufmannsfamilie, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit war, oder
wurden sie von der Fürstäbtissin zu Herford als Ministerialen nach
dort geholt, wir haben noch keine Anhaltspunkte. Der Stern, den sie
im Wappen führten, könnte auf eine Beziehung zu den Grafen von
Sternberg deuten, die selbst den Stern als Wappenbild hatten. Die
Sternberger besaßen bis 1281 und dann wieder ab 1303 Vogtei und
Gericht in Herford und auch die Schirmherrschaft über einige
Herforder Höfe, so den Hof Oldenherforde. Waren sie mit einer
Funktion der Sternberger nach Herford gezogen? Beamte übernahmen im
Siegel das Wappenbild ihres Herrn, weil sie ja in dessen Auftrag
handelten.
Kurz
nach 1300 treten in den Herforder Pergamenten gleichzeitig Albert und
Ludolf von Rintelen auf. Albert war mit Markingtorpe belehnt und
wirkte in der Altstadt Herford, die vermutlichen Söhne von Ludolf
hatten Schoren als Lehen. Wilhelm v. Rintelen hat sie als die
"Markingtorper" bzw. "Schorener" bezeichnet.
Die
Markingtorper Linie kann bis auf den heutigen Tag genealogisch
verfolgt werden, die Schorener Linie scheint in der Mannesfolge im
15. Jahrhundert ausgestorben zu sein. Da in beiden Linien gleiche
Vornamen wiederholt auftauchen und in beiden Linien fast zur gleichen
Zeit das gleiche Symbol für das Siegel verwendet wurde, ist
anzunehmen, dass Albert und Ludolf von Rintelen verwandt waren.
Um
die Stammtafel übersichtlicher zu gestalten, wurde sie in vier
Abschnitte aufgegliedert:
A
Herforder Stamm
B
Volkmarser Ast
C
Naumburger Ast
D
Peckelsheimer Ast
Unter
der Bezeichnung Herforder Stamm sind alle Altvordern des Geschlechtes
der Rintelen vom Stammvater Albert von Rintelen (* zwischen 1270 und
1280, † zwischen 1336 und 1350) bis zum gemeinsamen Ahnherrn,
Johann von Rintelen (1620 - 1692), zusammengefasst. Acht Generationen
lang sind sie in Herford ansässig gewesen, in jener Stadt, die
Hanse und freie Reichsstadt war, gleichzeitig aber durch
mannigfache Bindungen in Abhängigkeit von "ihrer" Abtei
stand. Die Abtei war ein Stift für Damen des hohen Adels, deren
Äbtissin den Stand einer Reichsfürstin hatte. Die von Rintelen
gehörten der gehobenen städtischen Schicht an, dem Patriziat, sie
heirateten, wie das damals üblich war, nur unter ihresgleichen. Als
Ratsherren, Bürgermeister und als Schöffen haben sie mehr als 300
Jahre das Geschick der Stadt mitbestimmt. Sie waren, wie manche
Herforder Bürger, Ministerialen der Fürstäbtissin.
Ähnlich
der Namensherkunft des Geschlechtes der Herforder Rintelen verhält
es sich mit dem Familiennamen von Renteln. Auf dem Friedhof der
Minoritenkirche an der Leinstraße in Hannover befand sich die
Grabplatte der letzten Ruhestätte des Hannoveraner Patriziers
Thidericus de Rintelen. Sie ist nach den Zerstörungen des Zweiten
Weltkriegs jetzt in der Kreuzkirche zu finden. Thidericus, gestorben
1321, gilt als Stammvater des Geschlechtes der von Renteln. Sein
Enkel Henning II. zog um 1365 nach Lübeck. An der unterschiedlichen
Schreibung seines Familiennamens in zahlreichen Urkunden wird die
Schwierigkeit anschaulich, die der Geschichtsforscher mit der
Zuordnung von Akten zu ein und derselben Person haben kann:
Henninghus de Rinthele, H. de Renthele, H. van Ryntlen, H. de
Rentelen.
Zwischen
den Hansestädten Lübeck und Reval bestanden besonders enge
Handelsbeziehungen. Das kann den Namenszusatz „Revaliensis“ von
Hennings II. Vater Johann Henning erklären. Mit dem Angehörigen der
VII. Generation, Evert II. von Renteln, siedelt der Begründer der
Baltischen von Rentelns 1514 nach Reval über. Die Familie von
Renteln ist das älteste Geschlecht Revals, das die Jahrhunderte
überdauerte. Der baltische Zweig der Familie ist später unter dem
Namen von Renteln in die Baltischen Ritterschaften übergegangen.
Familiengeschichte
seit dem Dreißigjährigen Krieg
Der
in der IX. Generation lebende Johann von Rintelen (* um 1510, †
1590) zog in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Lippe, er
war dort zuletzt als Rat und Vizekanzler des Grafen Simon Vl.
zur Lippe tätig. Einer seiner Söhne, Hermann von Rintelen (*
um 1583, † nach 1671), siedelte sich in Volkmarsen an. Als
Kaiserlicher Notar und zeitweise als Bürgermeister ist er dort
anzutreffen. Auf dessen Sohn, Johann von Rintelen (s.o.), der
Kurkölnischer Richter und Rentheber des Amtes Koglenburg und der
Stadt Volkmarsen war, gehen alle heute Lebenden des Geschlechtes
zurück. Von seinen sieben Kindern haben drei Söhne kräftige Äste
des Stammbaumes begründet und zwar Johann von Rintelen den
Volkmarser Ast (B), Martin von Rintelen den Naumburger Ast (C)
und Johann Hermann von Rintelen den Peckelsheimer Ast (D).
Weitere Äste des Familienstammbaums, die bis zur XV. Generation in
der männlichen Linie abgestorben sind, werden nicht gesondert
erwähnt. Diese Linien haben z. T. im westfälisch lippischen
Raum (Herford, Vlotho, Blomberg, Schwalenberg, Freudenberg), z. T. in
Bremen und Blexen sowie in Bergen/Norwegen ihren Wohnsitz
gehabt.
VOLKMARSER
AST
Johann
von Rintelen (1659 – 1725), der älteste Sohn des Richters und
Renthebers Johann von Rintelen, verblieb in Volkmarsen. Seine
Nachkommen bewirtschafteten den ererbten Besitz, waren Landwirte
in diesem Städtchen, das noch lange eine Ackerbürgerstadt war.
Zeitweise haben sie den Bürgermeisterposten in Volkmarsen
bekleidet. Obwohl die Familien z. T. recht kinderreich waren, konnte
sich der Ast infolge hoher Kindersterblichkeit und der bestehenden
Anerbenfolge nicht verzweigen. Erst in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts kann ein zweitgeborener Sohn eine eigene Familie
gründen. Es ist Theodor von Rinteln (1848 - 1901), der nach
Baltimore, USA, auswandert. Dort hat sich der Ast stärker verzweigt
und ist bis heute hauptsächlich in Baltimore ansässig. Mit Adolf
Ludwig von Rinteln (1883 - 1965), aus dessen Ehe mit Franziska Henze
nur zwei Töchter hervorgingen, erlischt in Deutschland dieser
Ast in der männlichen Linie. Seit Mitte des 19.Jahrhunderts wird der
Familienname dieses Astes zweisilbig ‚von Rinteln’ geschrieben.
NAUMBURGER
AST
Der
Begründer des Naumburger Astes, Martin von Rintelen (1662 - 1713),
zweiter Sohn des Richters und Renthebers Johann von Rintelen, war
Verwaltungsbeamter in dem kleinen Städtchen Naumburg, südlich von
Volkmarsen gelegen. Dessen Sohn Norbert (1703 - 1761) wirkt um die
Mitte des 18. Jahrhunderts in Naumburg als Chirurg. Von seinen Söhnen
ergreift der älteste, Johann Franz (1731 – 1814), den Beruf des
Vaters. Zwei Söhne ziehen nach Warburg und werden dort
Färbereibesitzer. Ihr älterer Bruder Karl Ludwig (1732 - 1814)
besaß eine Färberei in Paderborn. Dort kaufte er im Jahre 1764 ein
im Jahre 1592 errichtetes Fachwerkhaus, Weberberg 4, das den
Bombenkrieg 1945 überlebte und heute unter Denkmalschutz steht. Der
von Karl Ludwig Rintelen – er führt das "von" nicht mehr
– ausgehende "Paderborner Zweig" der Familie pflanzt sich
bis auf unsere Tage fort. Die Nachkommen leben weit zerstreut in
Deutschland sowie in Spanien.
Der
Bruder Karl Ludwigs, Johann Martin (1741 - 1781), war
Färbereibesitzer zu Warburg. Der auf ihm aufbauende "Erste
Warburger Zweig" hat sich im Laufe der Generationen kräftig
entwickelt. Die heute Lebenden dieses Zweiges sind restlos in
Deutschland zu finden.
Der
"Zweite Warburger Zweig", der sich auf Johann Ferdinand
Rintelen (1746 - 1792) begründet, endet in der männlichen Linie in
der XVIII. Generation. 1981 ist der letzte Namensträger dieses
Zweiges, GeneralIeutnant a. D. Joseph Rintelen (* 1897), zu Hamburg
verstorben.
PECKELSHEIMER
AST
Der
Begründer des Peckelsheimer Astes ist Johann Hermann von Rintelen
(1671 - 1754). Er war Gerichtsschreiber in der sauerländischen Stadt
Marsberg. Sein Sohn Franz Anton (1708 - 1795) und sein Enkel Anton
Ludwig (1731 - 1791) standen wie ihr Großvater und ihr
Urgroßvater als Beamte in Diensten der Freiherren v. Spiegel,
der erste als Richter zu Körbecke, der letztere als Rentheber zu
Peckelsheim. Von des Peckelsheimer Renthebers Söhnen gehen zwei
Zweige aus, die sich beide kräftig ausgeweitet haben.
Ab
1788 lässt der Peckelsheimer Anton Ludwig von Rintelen in seiner
Unterschrift das "von" fallen und unterzeichnet mit
“Anton Rintelen“. Sein ältester Sohn, Dr. jur. Ferdinand
Rintelen (1763 - 1825), war Gerichtsdirektor zu Büren. Er
gründet den "Bürener Zweig". Von seinen zahlreichen
Nachkommen sind besonders Sanitätsrat Dr. med. Eduard Rintelen (1843
- 1894) und Dr. jur. Ludwig Rintelen (1873 – 1955, Amtsnachfolger
Wilhelms v. R. im Familienratsvorsitz) hervorzuheben, die sich beide
um die Genealogie der Rintelen verdient gemacht haben.
Noch
kräftiger hat sich der "Borgholzer Zweig" ausgebreitet,
der auf den Amtmann Anton Franz Andreas Rintelen (1772 - 1847)
zurückgeht. Er war als Gutsbesitzer zu Borgholz, Kreis Höxter, ein
wohlhabender Mann geworden, seine Funktion als Amtmann und
Hypothekenbewahrer brachte ihm die Bezeichnung Conservateur
ein. Er verkaufte später Borgholz, zog nach Paderborn, von wo aus er
ein ihm ebenfalls gehörendes Gut zu Bennhausen bewirtschaftete.
Von seinen aus zwei Ehen stammenden zwölf Kindern verstarben
zwei im Kindesalter, sechs Söhne wurden Juristen und seine vier
Töchter heirateten jeweils einen Juristen. Der bedeutendste seiner
Söhne war wohl Wilhelm Rintelen (1797 - 1869), der 1849
Justizminister von Preußen und später Präsident des
Appellationsgerichtes zu Münster wurde. Seinem Enkel,
Generalleutnant Wilhelm Rintelen (1855 - 1938), wurde 1913 der
erbliche Adel verliehen. Wilhelm v. Rintelen war der Begründer des
Familienverbandes der Rintelen. – Zum "Borgholzer Zweig"
zählen ebenfalls die Goslarer Rintelen sowie die heute in
Barcelona/Spanien, in Caracas/Venezuela und sonstwo in der Welt
lebenden Rintelen.
Vorwiegend
als Jurist, Mediziner, Techniker oder Kaufmann leben heute
Rintelen in Österreich. Sie haben in Anton Rintelen (1842 - 1905)
ihren Ahnherrn. Nach dem Studium in verschiedenen Städten ließ
er sich in Graz als Advokat nieder, wo er 1866 seine abschließenden
Examen abgelegt hatte. Sein Vater Ludwig (1809 – 1888), Sohn des
Conservateurs,
folgte ihm nach seiner Pensionierung 1875 gemeinsam mit seinem Sohn
August (1850 - 1919). Ludwig war preußischer Regierungsrat in
Münster gewesen und hatte wohl während des Kulturkampfes eine
schwere Stellung gehabt, weil er "die Interessen der
katholischen Kirche fraglos höher einschätzte als die
Interessen des Staates", wie der Regierungspräsident an das
Innenministerium schrieb. Ludwigs Neffe, Eduard (1837 - 1916),
verblieb nach seinen Studien in Innsbruck ebenfalls in Österreich
und siedelte sich in Rhötis/Vorarlberg an.
Bleibt
noch der "Löwener Zweig" des Herforder Geschlechts zu erwähnen. Löwen
ist ein Dorf im Kreis Warburg. Hier ließ sich Friedrich Rintelen
(1742 - 1827), ein Sohn des Franz Anton von Rintelen (Volkmarsen),
als Handwerker und auch wohl gleichzeitig als Landwirt nieder. Seine
Nachkommen lebten in Löwen als Landwirte. In der männlichen Linie
erlischt dieser Zweig mit Friedrich Karl Rintelen (* 1924), der 1942
gefallen ist.
Ursprünglich
kamen die Rentelns mit der Hanse als Kaufleute ins Baltikum. Hier wie
dort wirkten sie auch als Ratsherrn und Bürgermeister. Doch
Jahrhunderte später erwarben sie Landbesitz und wurden
Gutseigentümer. Auch finden wir Offiziere, Theologen und Richter
unter ihnen. – Ein Grund, warum sie in der Lage waren, ihre
Stammreihe über Jahrhunderte zurück zu verfolgen, und lückenlos
weiter fortsetzen konnten, lag in der Tatsache, dass in ihren
Regionen Familiendokumente erhalten blieben und fortgeschrieben
wurden. Nicht so war es in einigen Teilen Deutschlands, wo während
des 30jährigen Krieges 1618 – 1648 durch religions-politische
Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken sich über Europa
Feldzüge und Verwüstung hinzogen, in deren Verlauf durch
Brandschatzung und Zerstörung von unzähligen Kirchen und Klöstern,
deren kostbaren Bibliotheken und Archive zerstört und Dokumente
unwiederbringlich vernichtet wurden.
Die
deutschsprechenden Balten des
Zarenreiches
besetzten sehr bald führende Positionen in Staatsämtern und den
regionalen Behörden Sie arbeiteten in der russischen Zivilverwaltung
oder dienten als Offiziere im russischen Militär. Die meisten Balten
waren deutschen Ursprungs, aber es gab auch Zuwanderer aus anderen
europäischen Ländern. Im Allgemeinen sprachen sie deutsch zu Hause,
aber alle konnten russisch, die Sprache des Zarenreiches. Einige
verstanden estnisch zu sprechen, eine sehr schwierige Sprache aus dem
Finno-Ugric'schen Sprachenkreis. Die Balten hauptsächlich
verwalteten das Land, während die einheimische Bevölkerung, die
ursprüglichen Esten, meist als Handwerker oder Bauern und
Landarbeiter wirtschaften.
Die
Rentelns besitzen in den nachfolgenden Generationen weitere Güter in
Estland, Livland und in den Gouvernements Witebsk und Mohilew,
insgesamt 85 000 Hektar. Sie rechnen sich auf Grund ihrer
Mitgliedschaft in der adligen Gesellschaft der Zirkelbrüder zu
Lübeck zum deutschen Uradel, gehörten später zum livländischen
Adel und zur estländischen Ritterschaft.
In
seiner „Geschichte der Familien von Renteln“ (Hamm 2000) teilt
Brandt v. Renteln (1923 – 2011) die Stammtafel der Baltischen von
Renteln in neun Linien (A – J) ein, die zudem drei „Häusern“
zugeordnet sind. Brandt selbst entstammt der Linie C des Hauses
Sompäh.
Die
Linie A beginnt mit Thidericus von Renteln und stirbt Ende des 19.
Jhs. in der XVII. Generation mit Waldemar und Alexander von Renteln,
beide kinderlose Offiziere, ab. Von Georg III. von Renteln (1776 –
1863) gehen die Linien B und C aus. Sein Sohn Adam Leonhard (1826 –
1870) begründet das Haus Chodzy (Russland), dessen Bruder Ludwig I.
Adam (1828 – 1882) das Haus Sompäh (Estland).
Mit
dem Bruder Georgs III., Friedrich Gottlieb (1777 – 1858), nimmt die
Linie G ihren Anfang. Dessen Sohn Woldemar (1815 – 1906) begründet
das Haus Bremerfeld (Estland). Während mit Woldemars Enkel Jürgen
(1885 – 1961) die Linie G endet, setzt sich die Stammfolge des
Hauses Bremerfeld in den Linien H und J fort. Jüngste Sprossen der
Linie H sind Woldemars Urenkel Gerd Evert II. (geb. 1961) und
Urenkelin Angelika (geb. 1964). Woldemars Sohn Constantin (1857 –
1936) begründet die Linie J, deren jüngste Abkömmlinge Constantins
Urenkel Sven (geb. 1974) und Carl Peter (geb. 1962) sowie Urenkelin
Astrid (geb. 1957) sind.
Das
Haus Sompäh verzweigt sich mit den Söhnen Ludwigs I. Adam in die
Linie C (Rudolf, 1860 – 1906, Herr auf Gut Sompäh), Linie D
(Ernst, 1863 – 1947, Herr auf Gut Lassila), Linie E (Ludwig II.,
1864 – 1956, Herr auf Gut Rachkül) und Linie F (Konstantin, 1868 –
1963, Herr auf Gut Terrefer). Abkömmlinge des Hauses Sompäh leben
in allen vier Linien C – F bis heute.
Prof.
Dr. Michael v. Renteln (geb. 1942) ist Nachfahre des Hauses Chodzy in
der Linie B. Er vertritt seine Familie im Familienrat des
Familienverbandes der Rintelen.
Mit
den Folgen des Ersten Weltkriegs und der Russischen Revolution ändern
sich die Lebensverhältnisse der Familie von Renteln im Baltikum
grundlegend. In seiner Familiengeschichte kommentiert Brandt v.
Renteln die Umbrüche so:
„Viele
sind gestorben, Generationen dahingegangen, ganze Geschlechter
erloschen - sie galten als vogelfrei, oder wurden von Reval aus
nach Sibirien deportiert - Kriege und Revolutionen, mit all
ihren Gräueltaten haben das Land verwüstet, und die Engländer zogen
sich, weder eingreifend noch helfend, zurück - doch die Balten
im Norden waren nicht auszurotten. Sie fingen immer wieder von vorne
an. Sie lebten, zwar nicht wie früher als große Herren, aber sie
lebten, sie schufteten, sie ließen sich nicht unterkriegen. Und
vielleicht war dieses anspruchslose und so gar nicht großartige
Leben, das sie in den zwei Jahrzehnten zwischen den beiden
Weltkriegen als arme Bauern auf dem Boden ihrer enteigneten
Rest-Güter führten, in seinem stillen Heldentum nicht weniger
heroisch, als all der Glanz und Ruhm ihrer siebenhundertjährigen
Herren und Herrschafts Geschichte. […]
So
zerstoben, wie viele baltischen, so auch die Rentelnschen Familien in
jenen Jahren und später noch in alle Winde und Himmelsrichtungen.
Die Fluchtwege aus ihrer Heimat führten aus Rußland, Estland und
Livland in vieler Herren Länder...“ (a.a.O., S. 138ff.)
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